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Gedanken zur Jahreslosung

Jahreslosung

Ihr Lieben,

Erinnert ihr euch an die Begegnung von Thomas, dem Zweifler, mit dem auferstandenen Christus (Joh 20,24- 31)? „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben“, sagt Thomas (Joh 20,25). Und Jesus geht auf ihn ein, begegnet ihm so, wie er es braucht, zeigt ihm seine Nägelmale und seine Seite, damit auch er an die Auferstehung des Christus glauben kann. Eine mögliche Auslegung dieser Geschichte: Jesus begegnet jedem und jeder von uns ganz individuell. So wie wir es brauchen. So wie es zu uns passt, uns guttut und im Glauben wie im Leben weiterhilft. Doch Jesus übt am Ende dieser Geschichte auch leise Kritik an Thomas und Menschen wie ihm, die nur glauben wollen, was sie sehen können: „Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ (Joh 20,29). Das Verhältnis von Sehen und Glauben bleibt also problematisch. Das Sehen, so scheint es, wird dann doch vom Glauben überboten. Sehen ist gut, Glauben ist besser? Der Text, dem die Jahreslosung für 2023 entnommen ist, steht im Alten Testament im 1. Buch Mose (Gen 16,1-16). Auch in dieser Geschichte geht es um Sehen und Glauben. Auch in ihr geht es um die Beziehung Gottes zu uns und was die mit Sehen und Glauben zu tun hat. Das Wunderbare an vielen alttestamentlichen Geschichten ist, dass sie so herrlich menschlich sind! Klar, es geht um die göttliche Verheißung eines Nachkommen für Abraham, aus dem einst im Gelobten Land ein großes Volk werden soll. Aber es geht auch um den verzweifelten Kinderwunsch einer älter werdenden Frau, die nach zehn Jahren im Gelobten Land ihrem Mann immer noch nicht den ersehnten Stammhalter gebären konnte. Es geht um eine rechtlich einwandfreie, aber menschlich hochproblematische Möglichkeit, wie Abraham doch noch zu seinem Erben kommt. Es geht um Minderwertigkeitsgefühle und Hochmut, um Recht und Unrecht, um den Umgang mit Konflikten. Und wenn man die Wirkungsgeschichte betrachtet, die diese alttestamentlichen Erzählungen um Abraham und seine „Patchworkfamilie“ in Judentum, Christentum und Islam gehabt haben, dann geht es bei diesen Geschichten heute auch um das Verhältnis der abrahamitischen Religionen zueinander: Wie können wir, Juden, Christen und Muslime, die wir uns alle auf einen gemeinsamen Ursprung zurückführen, friedlich miteinander leben, denken, glauben. Eine Auslegung dieser uralten Geschichte könnte also an vielen Stellen andocken. Die Jahreslosung konzentriert sich jedoch auf einen Aspekt der Geschichte, der eher eine „Randnotiz“ zu sein scheint und es doch in sich hat! Als die ganze, verfahrene Situation in dieser komplizierten Dreiecksbeziehung zwischen Abraham, Sara und Hagar eskaliert, flieht die zur „Leihmutter“ gewordene Magd in die Wüste. Dort erscheint ihr ein Engel des Herrn, und dieser Bote Gottes eröffnet ihr einen Ausweg aus ihrer verfahrenen Situation, der zugleich ein Rückweg in diese Situation ist. Damit ist das Problem nicht wirklich gelöst, wie wir wenige Kapitel später erfahren, als Hagar mit ihrem heranwachsenden Sohn erneut in der Wüste landet (Gen 21,9-21), aber die Richtung, in der eine Lösung liegen könnte, wird aufgezeigt. Sie besteht darin, vor Problemen nicht zu fliehen, sondern auf sie zuzugehen und durch sie hindurch zu einem tieferen, reicheren Leben zu finden. Die Erfahrung, die Hagar auf diesem Weg macht – und das nicht nur einmal! –, ist die, dass sie in allen ihren Problemen nie ganz alleine ist. Immer kann sie mit der  Nähe, mit der Aufmerksamkeit und der Zuwendung Gottes rechnen. Diese Erfahrung verdichtet sich, wie so oft im Alten Testament, in dem Namen des Ortes, an dem unsere Geschichte spielt: Beer-Lahai-Roï. Das heißt: „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht“ oder „Brunnen des Lebendigen, der nach mir schaut“. Wie bei Thomas, dem Zweifler, geht es also auch hier um das Sehen. Allerdings nicht darum, dass wir Gott sehen, sondern dass Gott uns sieht, dass er „nach uns schaut“. Ich halte das für einen ganz wichtigen Gedanken! Im Glauben, in unserer Beziehung zu Gott, davon bin ich überzeugt, kommt es nicht so sehr darauf an, dass und wie wir Gott sehen. Viel wichtiger ist, dass und wie Gott uns sieht! Wir singen und beten zwar oft, dass wir „mehr von Gott sehen“, dass wir „seine Herrlichkeit schauen“ wollen, aber eigentlich ist das eine hoch problematische, ja, eine geradezu gefährliche Bitte. Es gehört ja zum Wesen Gottes, unsichtbar zu sein. Selbst Mose, von dem es heißt, dass Gott mit ihm „von Angesicht zu Angesicht“ geredet habe, „wie mit einem Freund“ (Ex 33,11), bekommt das „Angesicht Gottes“ nicht wirklich zu sehen. Als er Gott einmal darum bittet, erhält er folgende Antwort: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“ (Ex 33,19). Die Heiligkeit Gottes schließt eine Begegnung Auge in Auge mit ihm aus. Mose darf lediglich in einer Felsspalte hocken, darauf warten, dass Gott an ihm vorübergeht, und anschließend der Herrlichkeit Gottes hinterherschauen (Ex 33,21-23). Nein, Gott sehen zu wollen, ist – zumindest in diesem Leben – keine gute Idee! Der Gott der Bibel ist und bleibt ein unsichtbarer Gott. Und das biblische Gebot, sich kein Bild von Gott zu machen (Ex 20,4-6), lässt sich auch so verstehen, dass dadurch nicht nur die Unsichtbarkeit und Heiligkeit Gottes geschützt werden soll, sondern auch seine Unverfügbarkeit. Gott lässt sich nicht instrumentalisieren für menschliche Interessen. Er bleibt immer der „ganz Andere“. Dafür noch ein Beispiel: Als endlich der erste Tempel in Jerusalem fertiggestellt ist, bringen die Priester die Lade mit den Zehn Geboten in das sogenannte „Allerheiligste“ des Tempels. Da, so heißt es, erfüllte eine Wolke den Tempel, so dass die Priester die Hand vor Augen nicht mehr sehen und ihren Tempeldienst nicht mehr ausüben konnten. Auf diese Weise nahm die Herrlichkeit Gottes den Tempel in Besitz. Salomo, der König, der diesen ersten Tempel in Jerusalem bauen ließ, kommentiert das mit folgenden Worten: „Die Sonne hat der HERR an den Himmel gestellt; er hat aber gesagt, er wolle im Dunkel wohnen.“ (1 Kön 8,10-12). Gott bleibt ein Geheimnis! Er lässt sich durch alle Bilder, die wir uns von ihm machen, nicht manipulieren oder vereinnahmen. Wir können Gott nicht zum Handlanger unserer Gedanken und Pläne machen. Gott bleibt frei in allem, was er sagt und tut. Das ist das eine. Das andere aber ist, dass Gott trotzdem irgendwie erfahrbar ist, dass er sich offenbart, dass er identifizierbar wird durch das, was er tut, und wie er uns begegnet. Diese Erfahrung jedenfalls macht Hagar in unserer Geschichte. In ihrer Not kommt ein Engel des Herrn zu ihr und spricht sie an. Und als ihr klar wird, dass es Gott selbst ist, der durch seinen Boten mit ihr gesprochen hat, gibt sie diesem Gott einen neuen Namen: „Und sie nannte den Namen des HERRN, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht.“ (Vers 13a) Ist das nicht ein fantastischer Name für Gott? „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Du bist ein Gott, der nach mir schaut! Du bist ein Gott, der mich wahrnimmt. Du bist ein Gott, der mich nicht übersieht, der nicht wegsieht, dem ich nicht egal bin. Du bist ein Gott, der sich kümmert, der mich nicht allein lässt mit meinem Kummer. „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Ist das nicht ein fantastischer Name für Gott? Und es ist eine Frau, eine Sklavin, eine Ausgestoßene, die Gott diesen Namen gibt. Den ersten Namen, den er in der Hebräischen Bibel bekommt! So ist Gott. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt den Marginalisierten, den an den Rand gedrängten, den Ausgegrenzten und Verlorenen. Ist der unsichtbare, unverfügbare Gott für dich ein auf diese Weise erfahrbarer Gott? Manchmal fällt es uns ja schwer, das zu glauben, dass Gott wirklich so ist: ein Gott, der uns sieht! Es gibt Situationen, in denen erleben wir Gott einfach nicht so. Nicht als den Anwesenden, sondern als den Abwesenden. Nicht als den, der uns sieht, sondern als den, der uns übersieht. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“, betet Jesus am Kreuz (Mk 15,34). Selbst der Sohn Gottes – gerade er! – macht diese Erfahrung. Manchmal sehen wir nichts von der Herrlichkeit Gottes. Manchmal verhüllt er sich in eine Wolke aus undurchdringlichem Dunkel. Dann erschließt sich uns erst im Nachhinein, wenn überhaupt, dass Gott auch „im Dunkel wohnt“, dass er auch und gerade dann nach uns schaut, wenn wir uns von ihm übersehen glauben. Hagar bringt das in unserer Geschichte wunderbar auf den Punkt. Sie gibt Gott nicht nur einen neuen Namen („Du bist ein Gott, der mich sieht!“). Sie begründet diese Namensgebung auch aus der Erfahrung heraus, die sie mit diesem Gott gemacht hat: „Und sie nannte den Namen des HERRN, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht. Denn sie sprach: Gewiss hab ich hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat.“ (Vers 13b). Vielleicht ist das eine der wichtigsten Erfahrungen, die wir mit Gott machen können: hinter ihm herzusehen, weil er uns angesehen hat. Vielleicht können wir von Gott überhaupt nur etwas erfahren und erkennen, wenn wir so „hinter ihm hersehen“, wenn wir den Spuren folgen, die er in unserem Leben gelegt hat, wenn wir versuchen, die Zeichen zu deuten, die er für uns hinterlässt. Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard (1813-1855) hat einmal gesagt: „Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden.“ Das ist unser Dilemma. Und hier kommt der Glaube ins Spiel. Der Glaube daran, dass sich unser Leben in der Rückschau als ein Leben erweisen wird, in dem Gott uns angesehen, nach uns geschaut, seine Spuren hinterlassen hat. Doch wenn man das Leben nur rückwärts verstehen kann, es aber vorwärts leben muss, was hilft uns dabei? Was gibt uns den Mut und die Kraft, weiterzumachen, auch wenn eine schwierige, ungewisse, dunkle Zukunft vor uns liegt? Ich glaube, dass das zwei Dinge sind: Zum einen diese Erfahrung, von Gott angesehen worden zu sein und dadurch Ansehen zu haben bei ihm! Das kann uns nämlich niemand nehmen. Wir sind Gott recht. Er ist uns gut. Ob unser Lebensweg nun klar und gerade ist oder uns durch Wüsten und unwegsames Gelände führt. Gott behält uns im Blick. Er schaut nach uns. Er sieht uns. Er überlässt uns nicht teilnahmslos unserem Schicksal. Das andere: Seit Jesus ist das Dunkel, in dem Gott wohnt, nicht mehr ganz so undurchdringlich. Weil Gott selbst es mit uns teilt.

„Ich bin das Licht der Welt“, sagt der johanneische Christus. „Wer mir nachfolgt, wird nicht mehr in der Finsternis umherirren, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12) Wenn wir wissen wollen, wie Gott ist, wie er uns sieht und was er von uns erwartet, müssen wir also auf Jesus schauen! „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15a). „Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens“ (Hebr 1,3a). An Christus können wir erkennen, wie Gott ist. Und in der Nachfolge Jesu werden wir selbst zu den „Ebenbildern Gottes“, die wir ursprünglich sein sollten (vgl. Gen 1,26f). Und dann gilt, was Paulus in Römer 8 schreibt: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern (und Schwestern).“ (Röm 8,28-29)

„Und wenn du morgen wieder zweifelst, ob das wahr ist, dass Jesus Christus hier unter uns lebt, gibt es Menschen, durch die er dir nah ist, alle Lieblosigkeiten vergibt. Durch einen Türspalt dringt Licht aus dem Festsaal in unser Zimmer der Diesseitigkeit. Doch bevor sich dies Tor für uns öffnet, klingt von drüben ein Lied in die Zeit. Hab keine Angst und fürchte dich nicht, denn die Herrschaft des Bösen zerbricht an der Liebe die selbst noch den Tod überlebt. Ich bin da darum fürchte dich nicht.“ (Andreas Malessa)

Losung des Tages

Losung für heute:

Des HERRN Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, das hält er gewiss.
Psalm 33,4

Jesus spricht: Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.
Matthäus 24,35

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